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Gudrun Schneider

Ein Interview mit der Filzkünstlerin Gudrun Schneider

Deine Filzwerkstatt heißt Hasenschneiderei. Was steckt hinter dem Namen?
„Als ich so um 2004 begonnen habe, intensiv zu filzen, war gerade Osterzeit und mir ist ein Schnitt von einem Hasen in die Hände gefallen, den ich gleich gefilzt habe. Er wurde richtig gut und ich habe den Entwurf variiert. Aus diesem einen Hasen wurden dann zehn, dann kamen andere Tiere dazu... Das war der Anfang meiner professionellen Filzwerkstatt. Mit einem Hasen hat letztlich alles begonnen.“

 Erinnerst du dich an deine allerersten Filzarbeiten?
„Das war 2001 und ich wurde mit diesen typischen Filzarbeiten an das Filzen herangeführt. Es hat nicht wirklich Spaß gemacht, langweilige Farben, Topflappen... wie der Handarbeitsunterricht früher. Trotzdem hat mich sofort das Filzfieber gepackt und ich wusste, das ist mein Ding.“

Welche Symptome hat man, wenn man vom „Filzfieber“ gepackt ist?
„Ganz einfach: man kann nicht mehr aufhören damit! Am Anfang passieren natürlich kleine Katastrophen - Überschwemmungen zum Beispiel, weil man noch zu wenig Erfahrung mit dem Wasser hast oder alles sieht schief und krumm aus. Aber das stört einen alles nicht. Man ist irgendwie besessen...“

Besessen?
„So kommt es mir manchmal vor. Du entwickelst ständig neue Ideen. Wichtig ist natürlich, dass es nicht bei den Ideen bleibt, sondern sie auch umgesetzt werden. Ich sehe zum Beispiel Irgendetwas – das muss gar nichts mit Filz zu tun haben – und ich denke, das könnte ein wunderbares Filzobjekt werden. Wenn ich damit beginne, ein Objekt zu filzen, dann hab ich meist bereits die Idee zum nächsten. Das eine löst das andere ab... und vieles läuft parallel. Manchmal ist es auch so, dass ich zum Beispiel für das Walken oder Schrumpfen weniger Geduld habe als sonst, weil ich am liebsten schon die nächste Idee umsetzen möchte. Das ist ein schönes Gefühl. Das Eine entsteht aus dem Anderen. Ich fange an und höre nicht auf zu probieren und zu ändern, bis es perfekt ist.“

Hast du diese Perfektion schon einmal erreicht?
„Ja, durchaus. Auch wenn es sich vielleicht größenwahnsinnig anhört. Beim Filzen meiner Rentiere zum Beispiel. Und bei den Hasen natürlich. Das Schwierige ist im Grunde die Schablone. Man muss exakt wissen, wie man alles zusammennäht, wenn es ausgestopft ist. Dazu braucht man räumliche Vorstellungskraft. Filzen hat sehr viel mit Erfahrung zu tun. Du arbeitest dich von Jahr zu Jahr mehr ins Handwerk ein und entwickelst ein ganz spezifisches Verständnis. Im Laufe der Zeit lernst du das Material immer besser kennen. Du siehst an ganz kleinen Anzeichen, wann etwas fertig ist. Zum Beispiel, wenn der Filz wie ein gekräuseltes Meer aussieht, wie Orangenhaut, dann weißt du, es ist gut. In diesem Prozess spielen natürlich auch Zufälle eine Rolle. Wichtig ist, immer weiter zu experimentieren und keine Kompromisse zu machen bei der Vorstellung, wie es sein soll. Dann kann es durchaus perfekt werden. Du merkst selbst, wenn es soweit ist – das ist dann immer ein ganz besonderer Moment.“

Was meinst du mit Zufällen?
„Zufälle sind ganz wichtig. Ich finde, oft sieht man gerade durch Zufall Dinge, die man sonst nicht gesehen hätte. Man merkt plötzlich, wie man ein Problem, in das man sich vielleicht verhakt hat, anders angehen könnte. Die Wahrheit liegt oft genau daneben. Du filzt etwas, und dann hast du ein Abfallprodukt und merkst plötzlich, Menschenskinder, genau das ist es... Ich möchte offen sein für die Dinge, die um mich herum und in meinem Leben passieren. Diese Dinge lasse ich in meine Arbeit einfließen und umgekehrt natürlich auch. Zufälle sind wunderbar inspirierend!“

Wie gefallen dir die Filzobjekte, die man üblicherweise auf Märkten kaufen kann?
Es tut mir leid, dass ich das sagen muss, aber ich finde, auf Märkten sieht man oft das Gleiche. Vieles hat einen konservativen, langweiligen Touch. Klar, es gibt auch tolle Sachen, aber das Meiste ist ziemlich grob gemacht. Die Dinge wirken oft sehr ähnlich, haben keine Ausstrahlung. Man spürt nicht den Menschen dahinter, der sie gemacht hat. Es findet zur Zeit auch eine Art Ausverkauf von Filz statt. Viel Kinderarbeit aus Nepal beispielsweise, die unheimlich billig verkauft wird. Klasse finde ich, was viele Kolleginnen von mir filzen. Das ist echte Kunst, individuell und originell. Jede hat ihren Stil. Ich persönlich finde, Filzen muss etwas Feines sein, man sollte – wie soll ich sagen –  erst auf den zweiten Blick sehen, dass es Filz ist.“

Hat das Feine mit deinem Sinn für Schönheit zu tun?
„ Mir sind Farben, Formen, die Schönheit der Dinge wichtig. Aber es muss auch praktisch sein. Ich mag keine Dekogegenstände, Staubfänger und so. Das hat sicherlich auch mit meiner Erziehung zu tun. Nur was auch Sinn hat, ist gut. Reine Schönheit ist nicht mein Ziel. In meiner Arbeit ist es mir ganz wichtig, Beides zu verbinden. Ich möchte, dass alles einen Sinn hat, einen Zweck. Deshalb mache ich beispielsweise sehr gern Spielzeuge oder Rentiere als Nackenrolle.“

Ist dir deshalb auch der Aspekt Recycling so wichtig?
„Ganz genau! Beim Nähen der Mäntelchen beispielsweise benutze ich gerne Stoff, von dem ich noch die Herkunft kenne. Das kann von meiner Oma sein oder von einer Freundin. Manchmal bekomme ich alte Nähkästchen geschenkt, mit alten Samtborten oder schönen Knöpfen. Der Inhalt ist immer ein besonders wertvoller Schatz für mich, den ich gerne weiter verarbeite bei meinen Arbeiten. Deshalb ist auch jedes Stück ein Unikat. Und natürlich werfe ich nie irgendwelche Filzreste weg. Ich kann aus ihnen Blumen ausschneiden und auf eine Tasche nähen oder sie als Stoffmaterial verwenden. Das ist mir sehr wichtig.“

Gibt es für jedes deiner Filzobjekte einen Prototyp?
Ja, das ist der Anfang. Ich entwickle einen Prototyp für jedes neue Objekt. Ich verändere und verfeinere, bis ich die optimale Form für das Schnittmuster habe. Die Proportionen müssen exakt stimmen. Ich mache so lange weiter, bis ich zu 100% mit dem Prototyp zufrieden bin. Der lässt sich dann variieren, je nach Kundenwunsch oder meinen eigenen Vorstellungen.“

 Wie viele Stunden Arbeit stecken denn in den einzelnen Arbeitsschritten bis zum fertigen Objekt?
„ Als erstes suche ich das Wollfliess aus, das ich benutzen will. Ich überlege, welches Farbkonzept ich insgesamt umsetzen will, ob ich beispielsweise bei Naturfarben bleibe oder nicht. Dann zeichne ich eine Schablone und übertrage alles auf eine dickere Plastikfolie. Dann trage ich lagenweise die Filze auf. Das nennt sich Rundfilzen. Als nächstes das Walken, dann muss alles in Essigwasser ausgewaschen werden. Wenn es getrocknet ist, kommt das Ausstopfen und Zusammennähen. Und dann kann man mit einer Filznadel das Gesicht aufstupfen. Das ist eine ganz wichtige Sache. Damit haucht man Leben ein... Je nachdem, was deine Hand dir gerade eingibt. Die Augen sind ganz wichtig, die Farbe, und vor allem darf der Lichtpunkt nicht fehlen. Der Mund natürlich auch. Dann kommt das Ausstaffieren. Ein Mäntelchen, Details wie Halsband, Schleife oder Glöckchen. Also insgesamt kommen gut sieben bis acht Stunden pro Tier zusammen. Das kann man natürlich nicht direkt in einen Stundenlohn umrechnen, sonst wäre das zu teuer. Mit 10% meiner Einnahmen unterstütze ich außerdem ein Projekt für behinderte Menschen in Südamerika.“

Deine Tiere sind alle sehr individuell. Die Katzen haben sogar Namen. Wie kam es dazu?
„ Sie haben für mich alle eine andere Persönlichkeit. Manche erinnern mich an Menschen, die ich kenne, und die mir nahe sind. Natürlich besonders auch aus meiner Familie. Das macht mir Freude, ihnen die entsprechenden Namen zu geben. Und ich will sie natürlich auch für die Kunden unterscheidbar machen. Trotzdem: im Moment haben nur die Katzen Namen, sonst wird’s zu kompliziert.“

Hast du Vorbilder für deine Arbeit?
„Ich bewundere beispielsweise Filzkünstlerinnen wie die Amerikanerin Jorie Johnson, die in Japan lebt. Ich habe an einem ihrer Workshops teilgenommen und war von ihrer Kreativität und Kompetenz fasziniert. Sie weiß unglaublich viel. Wir waren uns gleich sehr nahe in unserer Leidenschaft fürs Filzen und unserem Wunsch nach Perfektion. Es ist mir enorm wichtig, dass ich mich immer weiterbilde und in Austausch mit anderen Filzkünstlerinnen stehe. Schade ist, dass viele Filzerinnen miteinander in Konkurrenz treten und eigene Erfahrungen als Geheimnis hüten statt sich auszutauschen.“

Du leitest auch selbst Workshops. Warum?
„Ich teile gern meine Erfahrung mit anderen und natürlich macht es mir ungeheuer Freude, Menschen fürs Filzen zu begeistern. Es ist verrückt, aber es gibt immer wieder eine bestimmte Verbindung zwischen Menschen, die dem Filzfieber verfallen sind. Oft entwickeln sich sogar Freundschaften. Und gemeinsam etwas tun, intensiv zusammen zu arbeiten, das ist etwas sehr Schönes, das ich genieße.“

Könntest du dir ein Leben ohne Filzen überhaupt vorstellen?
„Da würde mir eine ganz wichtige Kreativität fehlen. Ein wesentlicher Teil in meinem Leben. Das Filzen begleitet mich im Grunde ständig, egal wo ich bin. Zum Beispiel war ich gerade in Turkmenistan. Da hab’ ich in Ashkhabat Handytaschen gesehen, die verkauft wurden. Sofort hab ich gedacht: ja, ich entwickle spezielle Handytaschen, wie es sie noch nicht gibt. Ich liebe es, um die Welt zu reisen und freue mich natürlich immer, wenn ich irgendwo Filzprodukte sehe. Das ist vor allem in Japan, dort gibt es aufgrund der langen handwerklichen Tradition sehr ungewöhnliche Objekte aus Filz, wirklich faszinierend. Du gehst ganz anders durch die Welt, wenn du nach Inspirationen suchst, du siehst dir alle Sachen automatisch anders an, viel intensiver. Das ist auch ein Gewinn für dein Leben insgesamt. Aber es ist nicht nur die Kreativität. Filzen hat auch etwas Ruhiges, Meditatives. Du musst dich voll und ganz darauf einlassen. Das klingt vielleicht seltsam, aber du musst dich der Sache wirklich hingeben, sonst hat dein Filzobjekt zum Schluss keine lebendige Ausstrahlung. Beim Filzen fühle ich mich tatsächlich eins mit mir selbst. Ein echtes Glücksgefühl. Also ein Leben ohne Filz... nein, das kann ich mir nicht wirklich vorstellen.“

 Und wenn du eines deiner Filzobjekte wärst, welches wärst du?
„Verrückterweise kann ich das ganz klar sagen: ich wäre die Katze, die zufrieden und entspannt daliegt. Ja, mit ihr identifiziere ich mich am meisten. Keine Ahnung wieso. Vielleicht weil sie von neuen Filzobjekten träumt, wer weiß...“

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Sandra Miriam Schneider, www.literaturschneiderei.de